Zum Beitrag „Wie halten wir es mit der Volksmusik?“ erreichte uns folgende Leserzuschrift von Hans-Jörg Brenner aus Baden-Württemberg.
Musik aus vergangener Zeit?
Die Musik, die wir gerne hören und von manchen auch gerne noch selbst gespielt wird, ist in des Wortes ursprünglicher Bedeutung keine Volkmusik mehr, sondern Musik aus vergangener Zeit. Dies trifft auch auf die Volkstänze, die Volkslieder und die Trachten zu. Man muss sich dies verinnerlichen, vergegenwärtigen und akzeptieren. Die Zeit hat sich weiterentwickelt, ist fortgeschritten und dabei hat sich vieles geändert. Es muss natürlich auch akzeptiert werden, dass die heutigen Medienoberen nicht aus vergangenen Zeiten stammen, sondern vom hier und jetzt und dabei ganz anderen Zwängen unterliegen, als jene, die wir gerne hätten.
Ein aktuelles Beispiel zeigt die Problematik auf. Anfang Oktober 2013 hatte eine Sängerin in Asperg bei Stuttgart ein Openair-Konzert zusammen mit einem Rundfunkprogramm vorbereitet. 20.000 Plätze waren für die Nachfrage nicht genug, sodass ein zweites Konzert eingeschoben werden musste, das, soweit bekannt, ebenfalls ausverkauft war. Mitte Oktober desselben Jahres gab es ein europäisches Volksmusikkonzert in Korntal bei Stuttgart, bei dem gerade mal ein Prozent Zuhörer gemessen an der Zahl einer Veranstaltung in Asperg anwesend waren, also gerade mal 200. Es waren noch nicht einmal diejenigen in Korntal von der Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg dabei, die sich mit Volksmusik beschäftigen, obwohl eine Musikgruppe der AG dort mitwirkte. Und dann war beim Verlassen des Saales ein Gespräch zu hören, das wie folgt lautete: „Heute sind wir 65-Jährigen wieder Mal die jüngsten Zuhörer gewesen“.
Diese Situation zeigt doch, wie es um die von uns gedankliche Volksmusik steht. Waren die beiden Veranstaltungen in Asperg nicht Veranstaltungen für das Volk und damit Volksmusik? Soweit ich bemerkt habe, war von den gewünschten Medienvertretern niemand in Korntal anwesend. Gegenüber den beiden großen Veranstaltungen in Asperg war doch jene in Korntal nur eine Ofenbankveranstaltung und damit für die Medien nicht wert im Rundfunk übertragen oder in den großen Zeitungen ausführlich besprochen zu werden. Dadurch wurde leider versäumt von einem Volksmusikkonzert zu berichten, das auf hoher Qualität und unplugged war und von den jungen Musikanten mit sichtbarer Begeisterung absolviert wurde.
„Ein weiterer Schritt wäre, dass in Musikschulen in Baden-Württemberg auch Volksmusik gelehrt werden würde.“
Was bei Gesprächen auf Augenhöhe mit den Medienoberen über die in unserem Verband und in unserem Lande geförderte Volksmusik erwartet wird, sind Absolventen von Musikhochschulen, die Volksmusik studiert haben und die aus dem großen Musikschatz der Volksmusik bei Gesprächen schöpfen können sowie Musikgruppen, bei denen nicht mehr die Spieltechnik von Laien zu erkennen ist. Schielt man ein wenig in das bayrische Fernsehprogramm und verfolgt dort die ausgestrahlten Volksmusikfernsehsendungen, so ist festzustellen: Alle Moderatorinnen und Moderatoren haben Volksmusik an einer entsprechenden Hochschule studiert und sind teilweise Meister ihres eigenen Instrumentes oder spielen selbst in einer Volksmusikgruppe. Verfolgt man die Sendung weiter, so gibt es dort in jeder vorgestellten Musikgruppe jemanden, der Musik und Volksmusik studiert hat oder momentan noch Volksmusik studiert. Wo gibt es in Baden-Württemberg den oder die erste Geige eines Symphonieorchesters, die in eine Tracht schlüpft und dann Volksmusik in einer Gruppe spielt oder wo der Fachgebietsleiter für Volksmusik an einer Universität eine eigene Volksmusikgruppe hat und begeisternd mitspielt? Bei uns nicht, aber in Österreich. Ich denke, es fehlen bei uns derartige Volksmusikrepräsentanten, die in Augenhöhe mit den Medienoberen diskutieren und verhandeln können.
Aber sind wir doch auch einmal fair und blicken zurück, was vor mehr als 25 Jahren vorgefallen ist. Da hatte man kein Verständnis wie Ton- und Fernsehaufnahmen bei den Rundfunkanstalten durchgeführt wurden. Man war der Meinung, so wie wir das machen, so ist es richtig und stand verständnislos da, wenn bei den Professionals im Rundfunk jemand anderer Meinung war. Auch Äußerungen wie: „Bei so was machen wir nicht mit“ brachten kein andauerndes gutes Verhältnis miteinander zustande und haben dazu beigetragen, die Volksmusiker und Volkstänzer als überheblich zu betrachten.
Auch zu Neukompositionen im Volksmusikstil vor sehr vielen Jahren, hatten wir kein positives Verhältnis. Damals hat es uns die deutsch sprechende Schweiz vorgemacht, wie so was geht. Neue Kompositionen im Volksmusikstil und entsprechende Arrangements drangen in den Schweizer Volkstanz ein und es gab und gibt dort Volksmusik und Volkstänze, die von tradierter Musik und Volkstanz kaum zu unterscheiden sind.
Was bleibt ist dies, dass diejenigen, die an der uns lieb gewordenen Volksmusik arbeiten, es fertig bringen, dass die Volksmusikausbildung bei den Kindern beginnt. Hier ein Beispiel: In der Grundausbildung für Blockflöte als einfache Melodie nicht nur „Old Mac Donald has a farm, dia dia du“ oder Ähnliches steht, sondern auch eine entsprechende Volksmelodie. Der nächste Schritt wäre, es fertig zu bringen, dass in den höheren Schulen neben klassischen und modernen Musikgruppen auch Volksmusikgruppen gebildet und gefördert werden. Ein weiterer Schritt wäre, dass in Musikschulen in Baden-Württemberg auch Volksmusik gelehrt werden würde. Daraus könnte vielleicht folgen, dass es Studenten geben würde, die an einer entsprechenden Musikhochschule Volksmusik studieren und auch absolvieren. Bleibt die Frage, wird so was in unserer heutigen Zeit in diesem unseren Lande durchführbar sein?
Ob nun von den Medienoberen das Wort Volksmusik freigegeben wird, wie gefordert, (für was eigentlich?) oder Volksmusik mit X, als Volxmusik geschrieben wird, löst die derzeitige Problematik nicht. Die Volksmusikoberen in der AG Sing Tanz Spiel müssten ein erstrebenswertes Ziel vorgeben, auf das im ganzen Land Erfolg bringend hingearbeitet werden müsste, damit das Gewünschte nicht nur nach innen, sondern auch nach außen wirken wird.