Vor einiger Zeit hatte Dr. Wolfgang Schlüter einen Artikel zum Thema „Trachtentänze“ geschrieben, den wir auch in der Zeitzschrift „Volkstanz“ zur Diskussion gestellt hatten. Hans-Jörg Brenner (†) hatte in einem Leserbrief der Aussage weitgehend zugestimmt, Hildegard Kallmaier aus Süddeutschland gar nicht – auf der Webseite des Trachtenverbandes würde der Begriff ja stehen und deshalb gäbe es diese Tänze auch.
Dazu hat uns Dr. Wolfgang Schlüter noch eine Anmerkung geschickt, um damit das Thema noch einmal aufzugreifen (und damit auch abzuschließen):
Karin Gottier, die Leiterin der ‚American Federation of German Folk Dance Groups‘, schickte mir aufgrund der Veröffentlichungen aus Connecticut (USA) die Abschrift eines Referats, das Karl Horak beim Österreichischen Volkstanzseminar in Rotholz am 4. September 1987 gehalten hat. Es behandelt genau dieses Thema:
„Bei Vereins- und Gruppenfeiern, Heimatabenden, Ortsfesten und ähnlichen Veranstaltungen sind Vorführ- und Schautänze wesentlicher Bestandteil. Sepp Pfleger, einer der Schöpfer solcher Tänze, nennt sie Trachtentänze, was insofern richtig ist, als sie tatsächlich bei Trachtenvereinen sehr beliebt sind und in ihre Veranstaltungen bevorzugt eingebaut werden. Mir erscheint hingegen der Sammelbegriff ‚Heimattänze‘ passender, weil sie ebenso eine bestimmte volkstümliche Art verkörpern wie Heimatroman, Heimatfilm und anderes. Auch sie gehören zu einem Klischeebild ‚Heimat‘, ohne ein wirklicher Teil all der Überlieferungserscheinungen zu sein, die Wesensteile eines wahren Heimatbegriffes sind.
Eher eine ‚Tanz-Pantomime‘
Erfinder solcher Heimattänze sind Vereinsfunktionäre, Heimatforscher, Tanzpädagogen – manche mit solidem Fachwissen, andere ohne jede Vorkenntnis, aber mit viel Idealismus oder auch mit starkem Geltungsbedürfnis und finanziellen Erwartungen. Ihr Selbstbewusstsein kommt dann besonders zum Ausdruck, wenn sie die Änderungen an überlieferten Tänzen ‚Verbesserungen“ nennen.
Bei der geradezu volksliedhaften und volksmusikgemäßen audiovisuellen Weitergabe dieser Tänze gerieten die Namen der Schöpfer mehr und mehr in Vergessenheit, was die Ausführenden in ihrer Ansicht bestärkt, sie tanzten traditionelle Formen. Das trifft aber keineswegs zu, denn jene weiten Bevölkerungsschichten, die etwa bis in die Zwanzigerjahre durch den Wortteil ‚Volk‘ in den Begriffen Volkslied, Volkstanz und anderes repräsentiert werden, hatten diese Tänze nie in ihre Tradition einbezogen. Manche Trachtenvereine waren und sind als Träger solcher Schautänze sogar bestrebt, ihre Tänze für sich zu behalten und ihre weitere Verbreitung zu verhindern, was dem Wesen eines Volkstanzes nicht entspricht.
Die Tänze heißen ‚Kronentanz‘, ‚Sterntanz‘, ‚Laubentanz‘, ‚Knappentanz‘. Ihnen eigen sind oft Requisiten, wie Baumstämme, Sägen, Bergmannslaternen. Der ‚Holzknechttanz‘ wurde zum Beispiel in einer Besprechung in der Münchener Bayrischen Zeitung 1922 als ‚Tanz-Pantomime‘, und ‚eher eine Theateraufführung als ein Tanz‘ charakterisiert.
Fazit
Es gibt in der Tat Trachtentänze. Die Schöpfer wählten diesen Begriff, um diese Tänze einerseits vom Volkstanz abzugrenzen aber gleichzeitig eine Volkstümlichkeit zu suggerieren. Mit Volkstanz haben diese Tänze allerdings wenig zu tun.“