Tanzen ist nicht nur für die körperliche Konstitution ein Wundermittel, sondern hält auch geistig fit und kann sogar Demenz verhindern oder zumindest hinauszögern, wie Eveline Krause, Vorsitzende der LAG Tanz Berlin feststellt.
Volkstänzer haben keine Demenz, wenn sie ihr Leben lang getanzt haben. So die kurze Formel, nach einer sicherlich unvollständigen Befragung.
Ich wurde von einer Musiktherapeutin gefragt, wie wir mit unseren TänzerInnen umgehen, die an einer Demenz erkranken. Ein kurzer Überblick in Berlin erbrachte zwei bis drei Kranke, die aber alle erst im fortgeschrittenen Alter zum Tanzen kamen. Entsprechende Anfragen in entfernten Gruppen zeigten ähnliche Ergebnisse. Dann wurde veröffentlicht, dass Tangotanzen gegen Demenz helfen soll. Das war natürlich nur eine Überschrift, aber das Tanzen mit einer vertrauten Person in der Anfangszeit der Erkrankung kann schon wie ein Medikament sein, bringt es doch Erinnerungen an die Jugend und gesunde Zeiten zurück und festigt das Vertrauen; wichtig für die spätere Pflege. Und die Wissenschaftler gewannen statistisch den Eindruck, dass Tanzen die Krankheit ein bisschen aufhielt.
Ein hilfreiches Langzeitmusikgedächtnis
2015 wurden die Erkenntnisse von Jörn Henrik Jacobsen veröffentlicht, der den Ort des Langzeitmusikgedächtnisses im Gehirn fixieren konnte. Jede/r TanzleiterIn von uns kennt das Langzeitmusikgedächtnis schon lange vor seiner wissenschaftlichen Entdeckung: Uns fehlt der Name des Tanzes und die ersten Schritte sind auch weg. Jetzt summen wir die Melodie und die Schritte werden erinnert und dann wissen wir den Namen und sprechen ihn aus. Das ist eine wiederkehrende Reihenfolge. Wer sich in der Betreuung Demenzkranker auskennt, weiß, dass nach einigen Wiederholungen der Melodie die Demenzkranken plötzlich singen und den Text aus der Erinnerung hervorholen können, den sie früher immer gesungen haben.
Das Langzeitmusikgedächtnis ist in der supplementär-motorischen Rinde, es liegt also dicht an dem Gehirnareal, in dem unsere gesamte Motorik gesteuert wird. Speziell im Areal des Langzeitmusikgedächtnisses werden hoch komplexe Bewegungsabläufe gelernt und gesteuert. In der Nachbarschaft ist der „Gyrus cinguli“, die Hirnstruktur, in der Emotionen – Freude – beim Lernen und bei der wiederholten Ausführung, gespeichert werden.
Kontratänze sind die ideale Tanzform
So jetzt gucken wir, was das Tanzen an diesen Stellen im Gehirn macht. Das Tanzen von Kontratänzen, und das sind viele deutsche Tänze, ist die ideale Tanzform um das Langzeitmusikgedächtnis zu entwickeln. Körperlich aktive Phasen wechseln sich mit Phasen ab, in denen das Gelernte mental durchgespielt wird, wenn man den anderen beiden Paaren zusieht und auf seinen eigenen Einsatz wartet. Die TänzerInnen sind in dieser Situation wie Musiker, die in einem Orchester auf ihren Einsatz warten, der mit dem richtigen muskulären Ansatz erfolgen muss, um das richtige Tempo und die richtige Lautstärke zu liefern. Beim Tanzen müssen wir uns zusätzlich noch auf wechselnde Partner einstellen, das heißt manchmal auch auf welche für die man mitdenken muss. Außerdem wird das räumliche Vorstellungsvermögen geübt, besonders bei Kontras in der Gasse. Wir lernen immer wieder neue Tänze, das heißt wir lernen neue Schrittkombinationen und halten so das Gehirn aufnahmebereit.
Mit Freude neue Tänze zu lernen, das heißt Denken mit Bewegung, hält uns fit. Wenn die Tanzmelodie einen Text hat, dann wird der in der Nähe zum Gyrus cinguli abgespeichert, so dass bei Kranken die Sprechmuskeln durch das Hören der Melodie angesteuert werden und sie den abgerufenen Text wieder artikulieren können. Siehe: Singen in der Pflege.
Andere Tanzformen haben einen vergleichbaren Effekt auf das Langzeitmusikgedächtnis, solange Bewegungen gelernt und wieder abgerufen werden und Freude dabei mitspielt. Nur Disco-Zappeln bringt wenig. Die Langzeitstudie in New York hat ergeben, dass Tanzen, im Alter erst begonnen, noch einen hinauszögernden Effekt auf dementielle Erkrankungen hat. Der Volkstanz entwickelt das Gehirn und hält es lange fit. Er ist ein preiswertes Instrument den Einzelnen und die Gemeinschaft gesund zu erhalten! Wozu brauchen wir Fitness-Studios, wir schwitzen auch beim Tanzen!