Deutsche Gesellschaft für Volkstanz e.V.

Die DGV-Tanzleiterinnen und -Tanzleiter, die vor einiger Zeit ihre Ausbildung in Berlin abgeschlossen haben, fertigten auch eine schriftliche Arbeit an. Nachdem wir die Arbeit von Claudia Schier unter dem Titel „So tanz(t)en wir! Ein kleines Stück Berliner Volkstanzgeschichte von 1945 bis heute (2011)“ vorgestellt haben, folgt hier die Arbeit von Jörg Dombrowski unter dem Titel „Die Bitterfelder Konferenzen und ihr Einfluss auf die Entwicklung des Volkstanzes in der DDR“.

1. und 2. Bitterfelder Konferenz

Erwin Strittmatter auf der 1. Bitterfelder Konferenz, 24. April 1959
Erwin Strittmatter auf der 1. Bitterfelder Konferenz, 24. April 1959

In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre unternahm die SED mit Kulturkonferenzen (1957 und 1960) sowie mit der 1. und 2. Bitterfelder Konferenz (1959 und 1964) große Anstrengungen, gegen einen scheinbaren „Dogmatismus der Moderne“ in den Künsten. Es sollte eine sozialistische Kultur und Kunst mit Hilfe der Arbeiterklasse selbst entwickelt werden. Damit sollten die Volkskünstler auf den sozialistischen Kurs gebracht werden. Sie sollten die Kunst nicht nur konsumieren sondern sie selbst gestalten. An der am 24. April 1959 veranstalteten Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im EKB Bitterfeld nahmen Künstler, Arbeiter, Wissenschaftler und Staatsfunktionäre teil.

Unter der Losung „Greif zur Feder Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich“ wurde am 24. 4. 1959 im Kulturpalast des EKB Bitterfeld eine Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages Halle eröffnet. An ihr nahmen unter anderem fast 300 „schreibende Arbeiter“ und etwas 150 Schriftsteller aus der DDR teil.

Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden. Dazu sollten unter anderem Künstler und Schriftsteller in die Fabriken gehen und Arbeiter bei deren künstlerischer Tätigkeit unterstützen. Die im Wesentlichen von Walter Ulbricht ausgegebenen Direktiven standen unter dem Motto „Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische deutsche Nationalkultur braucht dich!“ Schon auf dem fünften Parteitag der SED 1958 stellte Ulbricht die Forderung auf: „...in Staat und Wirtschaft ist die Arbeiterklasse der DDR bereits Herr. Jetzt muss sie auch die Höhen der Kultur stürmen und von ihnen Besitz ergreifen.“ [15]

Abgesehen von dem Miteinander von Berufs- und Laienkünstlern wird auf dem Programm auch Prof. Alfred Kurella auf der Bitterfelder Konferenz zitiert:
„…Haltet Euch auf der Höhe der revolutionären Theorie Eurer Zeit! Arbeitet unermüdlich daran, als denkende Menschen Euer Denken in Einklang mit dem fortgeschrittensten revolutionären Denken zu bringen. Das wird Euch helfen, auch als Künstler, bei der bildhaften Erfassung der Wirklichkeit tiefer in die Dinge einzudringen und den ganzen Reichtum unserer Wirklichkeit für euer Schaffen fruchtbar zu machen.
Geht dort hin, wo das Leben seinen stärksten Pulsschlag hat. Lebt das Leben der Menschen, die heute täglich entscheidend am sozialistischen Aufbau mithelfen… Paßt euer eigenes Leben dem Leben des Volkes an.“

Tatsächlich kam es auch zu einem Aufschwung der Laienkunst in der DDR. Dazu trugen zum Beispiel die vielfältigen Anstrengungen auf den verschiedensten Ebenen zur Umsetzung der Beschlüsse bei, zum Beispiel auch durch die regelmäßig veranstalteten Arbeiterfestspiele.

Auch für den Volkstanz und die Künstler brachte die Bitterfelder Konferenz durchaus positive Aspekte. So berichtet Eva Sollich [17], die im Alter von 21 Jahren an der ersten Bitterfelder Konferenz teilnahm, von der Hoffnung und dem Mut, den sie für sich aus der Konferenz schöpfen konnte. Sie wollte tanzen und dabei half ihr die Zusammenarbeit zwischen Berufs- und Laienschaffenden. Es gab dann auch viel Unterstützung von den Profis bei ihrer Arbeit. Die Zusammenarbeit wurde viel intensiver und auch die Kulturhäuser gaben viel Unterstützung. Später wurden ihr allerdings auch die Schwierigkeiten bewusst: „Weil Laien auch am Theater tanzen sollten und sich praktisch auf eine Stufe mit den Berufskünstlern stellen sollten. Die Laienkunst sollte sich der Berufskunst angleichen.“ [17]

 

Programm der Tanzmatinee der Berufs- und Laienkunst im Jahr 1960
Wie ernst es auch die Laientanzkunst mit den Beschlüssen der Bitterfelder Konferenz nahm, zeigt dieses Programm der Tanzmatinee der Berufs- und Laienkunst im Jahr 1960

 

Erich Janietz stellte im Jahr 1960 für das Laientanzschaffen ebenfalls Probleme fest [11, S. 6]:
„Während wir in der ganzen Republik nach der Bitterfelder Konferenz ein rasches Wachstum der Bedürfnisse, sich künstlerisch zu betätigen, als eine gesetzmäßige Entwicklung konstatieren, gibt es eine solche Erscheinung im Anwachsen der Volks- und Laientanzgruppen – im Gesamtschnitt der Volkstanzgruppen gesehen – nicht… Noch ein zweiter Gesichtspunkt sollte beachtet werden. Wir erfassen die echten Bedürfnisse auf dem Gebiet des Tanzes nur halb, wenn wir nur vom Blickpunkt der gewohnten Gruppentätigkeit ausgehen. Viele Werktätige wollen gut tanzen, ohne ständig in einem künstlerischen Kollektiv tätig zu sein… Es gibt einen Widerspruch zwischen dem parteilichen Vorhaben unserer Tanzgruppen, das sozialistische Leben in neuer Thematik darzustellen, und der Umsetzung dieses Vorhabens. Es besteht also ein Widerspruch zwischen dem richtigen Wollen und dem Vermögen…“

Die 1963 in der DDR begonnenen Wirtschaftsreformen erforderten allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeiten. Um auf diesem schwierigen Weg weiterzukommen, wurde die 2. Bitterfelder Konferenz anberaumt. Die Nachfolgekonferenz am 24. und 25. April 1964 stellte den Kulturschaffenden die Aufgabe, insbesondere die „Bildung des sozialistischen Bewusstseins“ und der „sozialistischen Persönlichkeit“ zu fördern.

 

2. Bitterfelder Konferenz am 25. 4. 1964 (1. Tag). Kurz vor Konferenzbeginn. Blick auf einen Teil des Präsidiums mit Willi Bredel, Otto Gotsche, Alexander Abusch, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Erwin Strittmatter und Walter Ulbricht, Erster Sekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrates, (v.l.n.r.).
2. Bitterfelder Konferenz am 25. 4. 1964 (1. Tag). Kurz vor Konferenzbeginn. Blick auf einen Teil des Präsidiums mit Willi Bredel, Otto Gotsche, Alexander Abusch, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Erwin Strittmatter und Walter Ulbricht, Erster Sekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrates, (v.l.n.r.).

 

Die 2. Bitterfelder Konferenz wurde am 24. April 1964 im Kulturpalast des Elektrochemischen Kombinats der Chemiestadt eröffnet. Veranstalter sind die Ideologische Kommission beim Politbüro des ZK der SED und das Kulturministerium. Über 1.000 Künstler und Kulturfunktionäre aus der DDR nehmen teil.

Scheitern des Bitterfelder Weges

Die Politik war sich der Probleme wohl bewusst, die nach den Bitterfelder Konferenzen bei der Umsetzung auf dem Bitterfelder Weg auftraten. So wird in [4] in dem Lehrmaterial des FDGB für das Fernstudium im Jahr 1965 festgestellt, dass es zwei verschiedene Formen der Volkstanzpflege gibt. Ein Teil dieser Tanzgruppen („auch Volkstanzkreise genannt“) pflegen die Folklore in der geselligen Form und werden nicht von der Bühne her wirksam.

„Viele dieser Gruppen sind kaum bekannt, da sie wenig öffentlich in Erscheinung treten. Nicht wenige dieser Gruppen existieren in religiösen Gemeinschaften, unter Anleitung des Pfarrers. Es ist also eine Tatsache, daß sich viele außerhalb unserer politischen Einflußspähre bewegen. Das zeigt auch, daß viele Leitungen es immer noch nicht verstehen, den Neigungen und Interessen der Menschen Rechnung tragen.“ [4, S. 24]

Doch auch der andere Teil der Tanzgruppen, die sich mit der bühnengerechten Gestaltung einzelner Volkstänze, Tanzsuiten und Suiten mit Spielhandlung befasste, bereitete anscheinend Probleme. Denn es wird gefragt:
„In wie vielen Fällen ist es unseren Tanzgruppen wirklich gelungen, künstlerisch überzeugende Beispiele zu schaffen, die auch dem Volkstanz die notwendige Anziehungskraft auf unsere Menschen, besonders der jungen Generation, verleihen?“ [4, S. 24].

Sowohl die Meinung, dass Volkstanz museal sei als auch dass in den geselligen Formen des Volkstanzes der künftige Gesellschaftstanz zu sehen sei, seien einseitig und falsch. Hier wird Aenne Goldschmidt über die Volkstanz-Tradition und ihre beiden verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten für eine Bühnengestaltung zitiert [4, S. 25]:
„Einmal läßt sie sich in ihren Originalformen entwickeln und künstlerisch bühnenwirksam bearbeiten, zum andere als Grundlage der Tanzgestaltungen mit neuer, gegenwartsnaher Thematik verwenden. In beiden Fällen ist Kenntnis und Beherrschung der folkloristischen Tradition notwendig.“

Dabei ginge es nicht nur um die Entwicklung und Bühnenbearbeitung irgendwelcher Volkstänze sondern um die wertvollsten und ideenreichsten Überlieferungen und ihre Interpretation entsprechend dem vorherrschenden Lebensgefühl. Als Zielvorgabe wird die Umsetzung des Programms des VI. Parteitages der SED gesehen [4, S. 26]:
„Die neuen Aufgaben des künstlerischen Laienschaffens erfordern die einseitige Orientierung auf die Vergangenheit zu vermeiden. Die neue Volkskunst soll der Pflege des ideell und künstlerisch wertvollen Erbes der deutschen Volkskunst und der Folklore der sozialistischen Bruderländer ihren Platz geben. Sie soll ihren Inhalt und ihre Formen vor allem aus dem neuen, sozialistischen Leben des Volkes schöpfen.“

Schon im Dezember 1965 wurde der Bitterfelder Weg aber praktisch aufgegeben – das Konzept, Künstler durch den Einsatz in der Produktion an Partei und Werktätige zu binden, ging nicht auf. Noch einmal, im April 1967, wollte der siebte Parteitag der SED den Bitterfelder Weg als Bestandteil des offiziellen Parteiprogramms wiederbeleben.

 

Die Folkloretanzgruppen traten bei festlichen Anlässen bei ihren Trägerbetrieben mit bunten Programmen auf

 

Die gewollte Aufhebung der Trennung von Berufs- und Laienkunst führte jedoch zunehmend zu Differenzen mit prominenten Künstlern über die kritische Funktion und die gesellschaftlichen Aufgaben der Kunst. Insbesondere wurden Instrumentalisierung und Reglementierung zu Zwecken der Parteipropaganda und eine zunehmende Bevormundung befürchtet.

Später oft als „Bitterer Feldweg“ oder auch als „Bitterfelder Sackgasse“ bezeichnet, war dieses Konzept die letzte große kulturpolitische Anstrengung der Ulbricht-Ära. Die direkte Verbindung von Kunst mit politischen und ökonomischen Aufgaben wurde von vielen Künstlern mehr und mehr abgelehnt.
Einer der Gründe für die „Stagnation“ des Volkstanzes in den 60er Jahren in der DDR war sicherlich auch die weitere ideologische Anreicherung des Tanzens. Sozialistische Errungenschaften im Tanz künstlerisch zu thematisieren, war schwierig und überforderte viele Künstler und Choreografen. Wäre es in breiter Front möglich gewesen, den deutschen Volkstanz in seiner überlieferten Form zu pflegen, wären viele Tanzgruppen nicht gezwungen gewesen, neue Choreografien auf die Bühne zu stellen und dabei oft Misserfolge zu verzeichnen.

Wie die offiziellen Repertoirevorgaben eingehalten wurden, lag immer aber auch an den jeweiligen Tanzgruppenleitern. Das Ziel „ihre künstlerische Betätigung bewusst als Waffe im ideologischen Kampf gegen die Kräfte des sozialistischen Aufbaus einzusetzen, hatte die Mehrzahl der aktiven Gruppen nicht.“ [6, S. 25]. So berichtet Horst Feurich [18], der in den 50er und 60er Jahren selbst vier Betriebstanzgruppen in Berlin leitete: „Ich habe mich aber ‚geweigert‘, das in meinen Gruppe umzusetzen. Meine Meinung war, dass man Volkstänzer nicht zu Bühnentänzern machen sollte. Ich konnte mich mit der Einstellung in meinen Gruppen und auch bei den Trägerbetrieben durchsetzen. Wir haben uns eben Nischen gesucht. Im Vordergrund unserer Arbeit stand immer der originäre Volkstanz, doch wir haben zum Beispiel Volkstanzsuiten entwickelt und für die Bühne ein wenig bearbeitet. Damit haben wir auch erfolgreich an Leistungsvergleichen teilgenommen. Wir waren zum Beispiel auch in Rudolstadt dabei.“

Dass weitere Nischen für den deutschen Volkstanz in der DDR existierten, zeigt auch die Tatsache, dass es vereinzelt Tanzkreise gab, wo gesellig getanzt wurde. Dazu gehörten die Kreise von Christel Ulbricht in Bautzen, Lilo Schaller in Altenburg, Dorothea Anger in Dresden und Erich Krause in Berlin.
Leider wurden solche vereinzelten kritischen Stimmen in den 60er Jahren zur Entwicklung des Volkstanzes in der DDR, wie die von Erich Krause nicht gehört. Er hatte in [13, S. 5] angemahnt:
„Trotzdem forderte man seitens des Berliner Hauses für Kulturarbeit, wahrscheinlich auf Veranlassung übergeordneter Stellen, die Umwandlung sämtlicher Volkstanzzirkel in Bühnentanzgruppen… Durch solche Forderungen erfolgte ein großes Massensterben der Volkstanzzirkel. Zum Teil waren die Leiter der Gruppen zeitlich oder fachlich nicht in der Lage, eigene Choreographien zu entwickeln und zeitgemäße Themen tänzerisch zu gestalten. Außerdem nahm man den Tänzern durch solche Überforderung die Freude am Tanz. Die Folge: Viele Gruppen lösten sich auf. Der Groß-Berliner Tanzkreis hat diese Forderung als falsch erachtet, zumal uns die Tanzensembles der volksdemokratischen Länder beste Folklore vorzeigen, von deren Leistungen wir lernen sollten… Der Groß-Berliner Volkstanzkreis wird daher weiter in diesem Sinne arbeiten und Verbindung mit Kreisen suchen, die ebenfalls den geselligen Tanz pflegen.“

Doch auch alle diese Gruppen waren bei den Kulturkabinetten registriert und nahmen zum Teil auch an den Einstufungen teil. Dieser Wettbewerb war für alle Laienbühnentanzgruppen erforderlich, um über eine Leistungseinstufung für öffentliche Auftritte Honorare beziehen zu können. Oft richteten sich auch die Entgelte der Tanzgruppenleiter, die sie von den Klub- und Kulturhäusern erhielten, nach dieser Einstufung.

Im künstlerischen Volksschaffen spielte Anfang der 70er Jahre die „sozialistische deutsche Nation“ eine Rolle. Deshalb wurde auch wieder mehr Wert auf die Pflege der Folklore gelegt, allerdings in bühnenwirksamer Form. Folkloristische Tänze gehörten zum Repertoire vieler Gruppen. Sie konnten aber oft nur einstudiert und nicht gelebt werden. Nur wenige Gruppen beschäftigten sich intensiv mit der Pflege des deutschen Volkstanzes.

Mangels Interesse musste auch Horst Feurich im Jahr 1968 seine letzte der ehemals vier von ihm geleiteten Berliner Tanzgruppen einstellen.
Ein Schlüsselereignis für die weitere Volkstanzentwicklung in der DDR waren dann die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Jahr 1973 in Berlin. Viele ausländische Gruppen zeigten kulturelle Nationalprogramme, in denen folkloristische Tänze aus den traditionellen Überlieferungen eine wichtige Rolle spielten. Die Lebendigkeit und Fröhlichkeit der Tänze, die auch spontan auf Straßen und Plätzen getanzt wurden, beeindruckten die Zuschauer und Volkstänzerinnen und Tänzer aus der DDR. Das hatte auch direkte Auswirkungen auf den Laienbühnentanz in der DDR und den Umgang mit dem kulturellen Erbe. Auch Eva Sollich berichtete aus eigenem Erleben von diesem „Makel“ [17]:
„Bei den Weltfestspielen in Berlin stellten wir dann plötzlich fest, dass keiner mehr Volkslieder singen und Volkstänze tanzen konnte. Deshalb gab es dann viel Druck von allen Seiten sich wieder mit dem kulturellen Erbe und dem Volkstanz zu beschäftigen. Aber das brauchte seine Zeit.“

Zur Beschäftigung mit den traditionellen Überlieferungen wurden jetzt Forschungsarbeiten finanziert, wissenschaftliche Kolloquien durchgeführt und Ende der 70er Jahre in verschiedenen Regionen der DDR Folklorezentren ins Leben gerufen. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Folkszene aus der FDJ-Singebewegung. Zuerst nur mit Musik und Gesang wurde auch bald getanzt. Im Januar 1980 fand in Leipzig die 1. Werkstatt der Folkgruppen statt und es wurden dann auch die ersten Volkstanzabende mit einfachen Tänzen wie Polonaise, Galopp, Rheinländer oder Polka mit immer größerer Resonanz veranstaltet. Nach 1980 erlebte der „Volkstanz zum Mitmachen“ in vielen größeren Städten einen kräftigen Aufschwung. Die Leipziger Tanzabende waren mit 300 bis 400 Tänzerinnen und Tänzern fast immer ausgebucht. Da aber auch hier die Tanzleiter fehlten, wurde 1982 die Leipziger Volkstanzschule ins Leben gerufen.

So konnte Eva Sollich dann auch in [7, S. 7] für die 80er Jahre ein großes Spektrum der „derzeitigen Verbreitung des Volkstanzes“ resümieren:
„Es haben sich im Laufe der Jahre zahlreiche Verzweigungen mit unterschiedlichen Genres entwickelt.
In großen Zügen kann man unterscheiden:

  1. „Folklore-Bühnentanzgruppen
    Trachtengruppen
    Gesellige Tanzkreise
    Neu belebte Volkstanzveranstaltungen“

Zu diesem Spektrum gehörte zweifellos auch das von Eva Sollich im Jahr 1977 gegründete Tanzhaus in Benshausen im Thüringer Wald bei Suhl. Hier gelang es der emsigen Feldforscherin in einmaliger Art und Weise die Seiten der Trachten- und Volkstanzpflege, des Folklorebühnentanzes und des Mitmach-Tanzes zusammenzuführen.

Zusammenfassung

Der Bitterfelder Weg sollte in der DDR eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten und den Weg zu einer eigenständigen „sozialistischen Nationalkultur“ weisen. Diese sollte den „wachsenden künstlerisch-ästhetischen Bedürfnissen der Werktätigen“ entgegenkommen. Das erwies sich jedoch bald als Irrweg.

Den „Einfluss der Bitterfelder Konferenzen auf die Entwicklung des Volkstanzes in der DDR“ darf man allerdings auch nicht überbewerten. Sie waren nur äußere Anlässe für einen politisch vorgegebenen und im Kontext der Entwicklung des Sozialismus wohl eher unvermeidbaren Prozess. Interessant ist sicherlich die Tatsache, dass am Rande des offiziellen und staatlich gewollten und geförderten folkloristischen Bühnentanzes in den Nischen auch der „etwas andere“ Volkstanz überleben konnte. Auch hier hing es eben von den handelnden Personen ab und wie sie sich einer Selbstzensur unterzogen und der offiziellen Politik folgten und unterwarfen.

Eine kräftige Belebung erfuhr die Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe durch die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin im Jahr 1973.
Interessant ist auch, dass sich trotz aller staatlicher Lenkung und Kontrolle in den 80er Jahren eine „Folktanzbewegung von unten“ herausbilden konnte. Das war sozusagen die friedliche Revolution im Volkstanz.

Arbeiterfestspiele

 

So sah die Anstecknadel der Arbeiterfestspiele in der DDR aus
So sah die Anstecknadel der Arbeiterfestspiele in der DDR aus

Die Arbeiterfestspiele wurden (1958 durch den V. Parteitag der SED beschlossen) seit 1959 regelmäßig durchgeführt. Auf den zentralen Kulturfesten traten in- und ausländische Berufs- und Volkskünstler aus den Bereichen Literatur, Theater, Musik und Bildende Kunst auf. Dazu gehörte auch der Bühnentanz. Dabei praktizierte man ausdrücklich die Zusammenarbeit von Berufs- und Laienkünstlern.

 

Die Arbeiterfestspiele sollten die Möglichkeit bieten, dass „die Arbeiterklasse die Höhen der Kultur erstürmen und von ihnen Besitz ergreifen“ konnte. Die Arbeiterfestspiele waren immer auch eine Plattform zum Leistungsvergleich der Gruppen. In den einzelnen Kategorien wurden Medaillen vergeben.

Im Lauf der Jahre entwickelten sich die Arbeiterfestspiele zu „Leistungsschauen der kulturschöpferischen Kräfte der Arbeiterklasse“. Alle Massenorganisationen der DDR waren an Planung und Gestaltung der Festspiele beteiligt. Hauptverantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung war der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), der über die Bezirksorganisationen Wettbewerbe veranstaltete.

Die Arbeiterfestspiele waren für viele der Künstler, die meist in örtlichen Arbeitsgemeinschaften organisiert waren, eine gute Möglichkeit, vor größerem Publikum aufzutreten. Auch der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten nahm während der Festspiele einen breiten Rahmen ein.

Beginnend mit dem Jahr 1959 fanden bis 1988 22 Arbeiterfestspiele statt. Veranstaltungsorte waren immer mehrere Orte eines Bezirkes der DDR. Von 1959 bis 1972 war es ein jährlicher Rhythmus, danach ein zweijährlicher. Die für 1990 geplanten Arbeiterfestspiele fielen dann aus.

 

Hervorragendes Volkskunstkollektiv
Der Titel „Hervorragendes Volkskunstkollektiv“ war für viele Folkloretanzgruppen eine wichtige Auszeichnung

 

Rudolstädter Tanzfeste

Die Rudolstädter Tanzfeste spiegelten immer auch die kulturpolitische Entwicklung in der DDR wider. Bei den ersten fünf Tanzfesten von 1956 bis 1960 spielte der deutsche Volkstanz die wichtigste Rolle. Bei den „Festen des deutschen Volkstanzes“ tanzten die Gruppen aus Ost und West noch gemeinsam. Mit dem Mauerbau und der getrennten Entwicklung des Volkstanzes in der DDR, traten die thematischen Bühnengestaltungen immer mehr in den Vordergrund. Ab 1968 wurde das „Tanzfest der DDR“ regelmäßig alljährlich durchgeführt und es wurde immer mehr zu einer Leis-tungsschau der Laienbühnentanzgruppen aus der DDR und den „befreundeten Bruderländern“.

Den Rudolstädter Tanzfesten wurden auch meist wichtige Fachkonferenzen, die sich mit vielen Fragen des Laientanzes beschäftigten, vorangestellt. Auch die Leistungsvergleiche der Tanzgruppen gehörten zu den Tanzfesten. Die Treffen hatten keinen Volksfestcharakter mehr, wie noch die ersten gesamtdeutschen Veranstaltungen.

Das 8. und 9. Tanzfest gehörten fast ausschließlich dem zentralen Leistungsvergleich. Ab dem 10. Tanzfest 1975 wurde bis zur Wende wieder ein zweijährlicher Rhythmus eingeführt. Auch die Wettbewerbe und Leistungsschauen und der Leistungsvergleich gehörten zu den Rudolstädter Tanzfesten und zu den Höhepunkten vieler Folkloregruppen.


Quellen

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